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Edward Albee
WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF


Premiere: 1. Dezember 2007, Theater Am Schwanhof

Fotos link

Besetzung:
Inszenierung -
Ausstattung -
Dramaturgie -

Inspizienz -
Regieassistenz -
Soufflage -
Karl Georg Kayser
Eberhard Matthies
Jürgen Sachs

Felicia Daniel
Felicia Daniel
Bernd Kruse
WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF

Darsteller:
Martha - Uta Eisold | George - Peter Radestock | Süsse - Franziska Knetsch | Nick - Peter Meyer


Stück:

„Martha: Hey, bitte, n' bisschen mehr Eis in meinen Drink, ja? Du tust mir nie Eis in den Drink.
George: Immer tu ich Eis in deinen Drink. Aber du isst es auf. Du wirst dir noch die Backenzähne ausbeißen.
Martha: Es sind meine Backenzähne!
George: Nicht alle...“

Martha und George kommen angetrunken von einer Feier. Im heimischen Wohnzimmer entsteht ein heftiger Streit, der mit der Zeit immer aggressiver wird. Trotz der späten Stunde erscheinen noch Gäste: Nick und seine Frau Honey, die Martha und George auf der Party kennen gelernt haben. Die Besucher sind zunächst nur Zuschauer der gegenseitigen Beleidigungen ihrer Gastgeber, geraten jedoch bald in das Sperrfeuer des rhetorischen Kampfgebiets und werden schließlich sogar selbst angegriffen und in die hasserfüllte Eheschlacht einbezogen. Das psychische Elend der beiden Paare wird offenkundig, und nur mit Selbsttäuschung und Alkohol kann die bürgerliche Fassade mühsam gewahrt werden...


Pressestimmen:

Gießener Allgemeinen Zeitung

Zerfleischungsschlacht im Zimmer

Edward Albees Ehedrama »Wer hat Angst vor Virginia Woolf?« in Marburg

Spätestens seit der Verfilmung 1966 mit Elizabeth Taylor und Richard Burton in den Hauptrollen zählt Edward Albees Stück »Wer hat Angst vor Virginia Woolf?« zu den bekanntesten Ehedramen auf den Bühnen der Theaterwelt. Auch das Hessische Landestheater Marburg konnte der Versuchung nicht widerstehen, diese publikumswirksame Zerfleischungsschlacht zweier Paare am Vorabend zum ersten Advent auf ihren Spielplan zu heben – kracht es ja bekanntlich an Feiertagen besonders gern in den Familien.

Auch George und Martha kommen an diesem Abend angeheitert von einer Party, die Marthas Übervater, der College-Direktor, ausgerichtet hat. Und weil Dad es so wollte, hat Martha das junge Pärchen Nick und seine Süße noch auf einen Drink zu sich eingeladen. Mit viel Dampf beginnt diese gnadenlose Abrechnung mit den Verlogenheiten des Lebens, bei der Gastregisseur Karl Georg Kayser vor der Pause allzu sehr auf die Tube drückt. Hier wird geschrien, gesoffen und gedemütigt, was das Zeug hält. Dabei entwickelt das Vier-Personen-Stück gerade in den Momenten des Innehaltens, des Bruches, des Nachdenkens und Reflektierens seine Stärke. Das gelingt den Protagonisten an diesem Premierenabend aber erst im zweiten Teil besonders eindringlich.

Hier hat Uta Eisold ihre intensivsten Minuten, wenn sie sich unter dem Tisch verkriecht wie ein kleines Mädchen, das Angst vor dem Verlassensein hat. Ihre Martha wirkt ansonsten arg überdreht und hysterisch, will sich partout amüsieren – und ist doch schon längst eine am Leben gescheiterte Frau. Peter Radestock setzt als angegrauter Geschichtsprofessor viel selbstverordnete Ruhe und Zynismus gegen die Hyperaktivität seiner gefrusteten Gattin. Aber er ist es eigentlich, der mit der Intelligenz seiner Wortverdrehungen zu immer neuen gemeinen Spielchen herausfordert, auf die die Gäste – erst peinlich berührt – dann doch nach und nach eingehen.

Peter Meyer nimmt dem Karrieristen Nick nicht seine Würde, obwohl dieser sich – von allen Seiten provoziert – offensichtlich über die Gastgeberin hermacht. Geradezu hilflos ist sein Verhalten gegenüber seiner jungen Frau, die er nur Süße nennt und die Franziska Knetsch fast schon mitleidserregend verkörpert.

Der häufigste Satz dieses Abends, in verschiedenen Variationen versteht sich, lautet: »Wollen Sie noch was zu trinken?« Folgerichtig hat Ausstatter Eberhard Matthies das kräftig rot und blau gestrichene Zimmer mit allerlei herumstehenden Flaschen, Büchern und Platten versehen und einem großen amerikanischen Kühlschrank, der für Nachschub sorgt. Der Stoff geht nicht aus, genauso wenig wie die Erniedrigungen und Verletzungen in diesem kräftezehrenden Kleinkrieg der Ehepaare.

Marion Schwarzmann



Marburger Forum 3.12.2007

Edward Albee: Wer hat Angst vor Virginia Woolf? Premiere Hessisches Landestheater

1. Dezember 2007, TASCH 1
„Odo et amo. Quare id faciam, fortasse requiris. / nescio; sed fieri sentio et excrucior!“ – „Ich hasse und liebe. Du fragst vielleicht, warum ich dies mache. Ich weiß es nicht; aber ich fühle, daß es geschieht und ich werde gemartert! Als vor 2000 Jahren der Neotheriker Catull diese Worte über seine alle Höhen und Tiefen durchschreitende Liebe zu der berühmt berüchtigten Lesbia schrieb und gleichermaßen angewidert auch die Gesellschaft betrachtete, formulierte er qualvoll gewonnene Erkenntnis. Nichts anderes macht Edward Albee in seinem bedrückend faszinierenden Drama „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ Ein solches Stück verdient unsere besondere Aufmerksamkeit, und Aufmerksamkeit verdient auch die Inszenierung des Marburger Landestheaters, vor allem aber das Schauspiel von vier Künstlern, die aufgehen in einem Konglomerat verworrener, besudelter und quälender Gefühle. Die Bühnenausstattung trägt diesem Gefühlschaos, diesem Überschwang, diesem Riß in der Fassade der heilen Welt Rechnung, indem sie die Stellwände der ansonst unverändert bleibenden Bühne mit grellem Rot bedeckt, in das sich zugleich, von der anderen Wandseite kommend, kühles Blau mischt. Leidenschaft und Kälte, Instinkt und Intellekt treffen aufeinander. Ein Roy Lichtenstein-Bild an der Wand, nicht einmal aufgehängt, Bücherstapel, Zeitungen, Kleiderstücke, Dosen – in dieser Wohnung herrscht genausowenig Ordnung wie im Geist ihrer Bewohner: George, ein betrübter, in die Jahre gekommener Historiker und Martha, seine Frau, die außer einem als Collegepräsidenten fungierenden Vater nichts vorzuweisen hat. Wen oder was die beiden eigentlich am meisten hassen, haben sie längst vergessen, das einzige, was noch Erheiterung bietet, ist die perverse Freude an Gesellschaftsspielen, deren Ziel es ist, andere in das Hin – und Her einer desaströsen Ehe zu verwickeln, sie ebenso betroffen zu machen und ihnen schlußendlich die Lebenslüge vom Gesicht zu reißen. Nicht von ungefähr erscheinen die Schauspieler bei ihrem ersten Auftritt mit Walt Disney-Masken bestückt. Und so verharrte das Premierenpublikum knapp zwei Stunden lang hin und hergerissen zwischen dem Gelächter über den intellektuellen Schlagabtausch zwischen George (Peter Radestock) und Nick (Peter Meyer) einerseits und Betroffenheit durch die scharfzüngigen Attacken andererseits, in denen sich Martha (Uta Eisold) und wiederum George regelrecht verlieren, Liebe und Haß zugleich ausdrückend. Da turnt Martha außer sich über den Tisch, in dem Versuch, George vom Gatten zum Begatter zu degradieren, treibt es, um ihren impotenten, zumindest uninteressierten und von ihr als beruflich erfolglos abqualifizierten Mann zur Raserei zu treiben, in aller Öffentlichkeit mit Nick, einem als Karrieristen entlarvten Biologen, der nur um des Geldes willen eine liebe, doch einfältige Frau (Franziska Knetsch) geheiratet hat. Den Schauspielern gelingt ein virtuoses Spiel um Marthas unbefriedigte und unbefriedete Agilität, Georges steigende Wut und zunehmenden Trotz, Nicks schamloses Gebaren und der taumeligen Hilflosigkeit seiner stets nur „Süßes“ genannten Frau. Doch dem angeheirateten Dummchen gehen langsam die Augen auf und schließlich über, genauso wie Martha weinend erkennen muß, daß der einzige Mann, der ihr jemals etwas bedeutete, der nach aller Facon unterhalb der Gürtellinie beschimpfte George ist. Und so werden letztendlich alle Kränkungen, der hemmungslose Rosenkrieg, der sinnentleerte Lebensstil als die Folgen eines krampfhaften Wunsches entlarvt - nämlich der Gesellschaft zu gefallen. Nur davor muß man Angst haben. Die Tragödie ist perfekt. Das auf die Bühne gebrachte Spiel ebenso. Ein Theatererlebnis, das man nicht so schnell vergessen wird.

Tanja v. Werner



Oberhessische Presse

Eine ginverseuchte Furie steht am Abgrund ihrer Ehe
Karl Georg Kayser inszeniert in Marburg „Wer hat Angst vor Virgina Woolf?“

Marburg. Mit Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ bereichert das Landestheater Marburg seinen Spielplan um ein weiteres Beziehungsdrama.

von Carsten Beckmann.

Das Personal der Inszenierung Karl Georg Kaysers ist mit einer Ausnahme das gleiche wie bereits in Yasmina Rezas „Gott des Gemetzels“: Peter Radestock fällt in „Virgina Woolf“ der männliche Part der Ehehölle zu, in der Uta Eisold das Feuer schürt. Doch während in dem französischen Bildungsbürger-Kammerspiel der Sarkozy-Biografin Reza die Rollen noch weitgehend ausbalanciert waren, gerät die Marburger Fassung von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ zu einer ausschließlich auf die Rolle der Martha zugeschnittenen Produktion.
Die Ehe mit George (Radestock) ist zugegebenermaßen alles andere als vergnügungssteuerpflichtig, und dass Martha, die Tochter des Universitäts-Dirketors, ihr Dasein mit einem vertrottelt-desillusionierten Wissenschaftler fristen muss, trägt auch nicht eben viel zu trauter Zweisamkeit bei. Vielmehr haben George und Martha sich darauf kapriziert, die Nähe zueinander über präzis kalkulierte Partner-Psychoquälereien aufrecht zu erhalten. Sind sich die beiden ehefrustrierten Scheusale selbst nicht mehr genug, werden eben weitere Opfer wie der junge Biologe Nick (Peter Meyer) und dessen Frau (Franziska Kentsch) einbezogen in den infamen Reigen von Demütigungen, Beleidigungen und Provokationen.
Eberhard Matthies hat das Heim von Martha und George vielleicht eine Spur zu knallrot getüncht, und er hat eher das Mobiliar einer gammligen Studentenbude auf die Bühne gestellt, anstatt akademisch-gesettigtes Interieur zu nutzen: Einen Sperrmüll-Kühlschrank gibt es, der als Spirituosen-Desponie herhält und hinter dessen Tür auch schon mal schnell ein BH verschwindet. Ein vielsagendes Comic-Motiv lehnt an der Wand, dessen Sprechblase verrät, dass Martha eher ertrinken würde, als sich von George retten zu lassen.
In dieser Wohnhöhle sorgt Uta Eisold mit ihrer stimmlichen Dauerpräsenz dafür, dass sowohl ihr Ehegatte als auch die späten Gäste zu Randfiguren degradiert werden. Meist mit dem Impetus einer Nina Hagen brüllt diese Martha die übrigen Figuren gandenlos aus dem Bild. Damit vergibt sie auch weitgehend die Chance, Stimmungen und Tempo zu varrieren – warum nicht zwischendurch einmal in Zimmerlautstärke, warum nicht einmal eine bissige Bemerkung im Flüsterton?
Peter Radestock hat dem phonstarken Dauerfeuer dieser ginverseuchten Furie nicht allzu viel entgegenzusetzen, obwohl Autor Edward Albee dem alternden Ehemann Marthas ein erhebliches Arsenal von Giftpfeilen an die Hand gegeben hatte.
Doch spielt dieses Bühnen-Paar eher nebeneinander her, als dass es den über Jahrzehnte erprobten Beziehungskampf wirklich mit- und gegeneinander austragen würde. Zu herrisch agiert sie, zu distanziert reagiert er.
Nick und seine Süße schließlich sind kaum dafür geschaffen, eigene Akzente zu setzen. Doch zumidest einen Anhaltspunkt hätte der Zuschauer schon gern dafür, warum sich der junge Gast ungeniert von der Dame des Hauses verführen lässt, während seine junge Frau im Alkoholnebel irgendwo vor sich hindöst und von Albträumen heimgesucht wird.
Nach knapp zwei Stunden im Theater Am Schwanhof bleibt die Frage im Raum stehen, ob hier ein Beziehungsdrama mit aktuellen Bezügen gezeigt werden oder ob Albees moderner Klassiker möglichst dicht am Zeitgeist der 60er Jahre inszeniert werden sollte.
Das Premierenpublikum im Theater Am Schwanhof quittierte „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ mit anhaltendem, wenn auch nicht frenetischem Applaus, der hörbar eher der Gesamtproduktion galt als der Leistung Einzelner.



Marburger Neue Zeitung

Lust ist Qual, Liebe ist Schmerz
Spannende Premiere von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?

Marburg. „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ haben am Samstag die Akteure des Hessischen Landestheaters zur Premiere gefragt. Das gleichnamige Stück von Edward Albee ist ein Klassiker des amerikanischen Theaters und ein Parforceritt durch eine Nacht und einen Ehekrieg, bei dem es irgendwann heißt: „Jetzt ist alles erlaubt“.

Es ist schon spät, als Martha und George von einer Party kommen. Die beiden sind angeheitert, aber schnell wird deutlich: heiter gestaltet sich der Rest dieser Nacht sicher nicht. Die Zuschauer werden Zeuge eines erbitterten Kampfes, ebenso wie Nick und „Süße“, ein jüngeres Paar, das Martha noch nach Hause eingeladen hat. Ein Paar, das sich ebenfalls bereits in Lebenslügen verfangen hat. Nicht umsonst ist ein Punching-Ball einer der wenigen Gegenstände, die Eberhard Matthies dem Interieur – für ein Professorenehepaar in der amerikanischen Provinz seltsam grell und provisorisch – zugesteht: dieses Wohnzimmer ist eine Arena. Martha und George traktieren sich mit Demütigungen und Provokationen und können Nähe nur noch über dieses perfide Spiel zulassen. Lust ist Qual, Liebe ist Schmerz. „Die Figuren fürchten die Stille, die Einsamkeit“, so Karl Georg Kayser, der das Stück als Gast inszeniert hat. Gerade dort gelingt es den Schauspielern, zu berühren: in der Stille. Wenn einer taumelt, wenn eine Runde beendet ist, wenn Raum ist für Subtiles, verdichtet sich die Atmosphäre. Ansonsten ist es vor allem Uta Eisold als Martha, die die Bühne dominiert. So druckvoll und präsent, wie sie von Beginn an agiert, hat sie kaum Chancen, sich im Lauf des Stücks zu steigern. Sie verteilt ihre Schläge auf die Dauer mit allzu viel Stimmgewalt.

Die Farbe Rot ist Programm

Dass das Rot in der Farbgebung des Bühnenbilds überwiegt, scheint Programm zu sein: meist ist es Martha, die das Feuer in diesem Kampf immer wieder aufs Neue schürt. Und irgendwann heißt es dann: „diesmal spielen wir bis zum Tod“. „Getötet“ wird der Sohn, der nur in der Einbildung der beiden existiert und damit ihre Lebenslüge. „Er streckte jedem von uns die Hand hin und hielt uns auch auseinander“, sagt Martha und offenbart auch hier wieder das zwanghafte Spiel von Anziehung und Abstoßung. Und obwohl sie glaubt, sie sei diejenige, die „mehr Kraft“ habe, ist es George, der die Kraft aufbringt, die Illusion zu zerstören und damit einen Neuanfang zu ermöglichen. Kraftvoll, aber nuanciert gibt Peter Radestock Georges Frustration und deren Ausbrüche. Dabei wirkt er angesichts der Konstellation der Figuren und dem Spiel von Uta Eisold blasser. Peter Meyer und Franziska Knetsch haben mit den Rollen von Nick und Süße die eher undankbare Aufgabe, zunächst Randfiguren zu sein und erst allmählich einbezogen zu werden und damit profilierter agieren zu können. Das Publikum honorierte die Leistung des Ensembles bei der Premiere am Samstagabend im Theater am Schwanhof mit einem Applaus, der lange, aber nicht überschwänglich war. „Spannend“ und „unterhaltsam“ urteilten einige Premierengäste und lobten vor allem das Schauspiel der Akteure.

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